Warenkorbabbruch: Wie kann er vermieden werden?
Betritt ein Besucher eine Boutique (eine echte, Brick and Mortar), liegen die Chancen, dass er auch kauft, zwischen 20 und 30%. Bei Online-Shoppern fällt dieser Prozentsatz auf nur 3%! Natürlich sind die Erfahrungen grundverschieden und erklären die Diskrepanz zwischen beiden Werten. Die Servicequalität ist einfach im „wirklichen Leben“ besser. Kommen Sie in eine Boutique, werden Sie von einer Verkäuferin oder einem Verkäufer begrüßt und beraten. Sie erhalten persönliche Betreuung, Ratschläge und Rückversicherungen. Auf Internet steht man dagegen oft allein da, keiner ist da, um Fragen zu beantworten. Das ändert sich glücklicherweise langsam. Immer mehr Marketingteams arbeiten heute daran, Barrieren abzubauen, die Webseiten-Besucher vom Kauf abhalten können. Sie bieten verbesserte Nutzerfreundlichkeit (A/B-Testing) und personalisieren die User Experience ihrer Besucher. Eine effiziente Personalisierungsstrategie hilft so bei einem der wichtigsten Probleme von E-Commerce-Webseiten: dem Warenkorbabbruch. Wie das konkret aussehen kann, möchten wir in unserem heutigen Artikel darlegen.
Was ist ein Warenkorbabbruch?
Ein potenzieller Kunde besucht Ihre Webseite, legt Artikel im Warenkorb ab und verlässt Ihre Seiten, ohne zu kaufen. Die Rate des Warenabbruchs ist schnell errechnet. Sie nehmen die Zahl aller Käufe und teilen diese durch die Zahl der geöffneten Warenkörbe. Es handelt sich um einen besonders wichtigen E-Commerce-KPI, dem unbedingt Rechnung getragen werden muss:
- Er kann der Ausdruck von Stolpersteinen im Conversion-Prozess sein.
- Die Senkung der Abbruchrate um nur wenige Prozentpunkte steigert Ihren Umsatz nicht unerheblich.
Zahlen, die Angst machen
Im Durchschnitt verlassen 69% aller Besucher, die Artikel im Warenkorb ablegen, den Conversion-Tunnel, ohne zu kaufen. Das ist viel, und Sie sollten unbedingt etwas dagegen unternehmen. Mögliche Aktionen können in zwei Kategorien eingeteilt werden:
- Vor dem Warenkorbabbruch
- Nach dem Warenkorbabbruch
Die häufigsten Gründe für Warenkorbabbrüche
Um Aktionen zu planen und Warenkorbabbrüchen effizient entgegenzuwirken, sollte man die Ursachen genau beleuchten. Hier die häufigsten Gründe:
Quelle: Baymard Institute, E-Commerce Checkout Usability, 2017
Wie kann ich Warenkorbabbrüche auf meiner Webseite vor dem Abbruch vermeiden?
Untenstehend 7 Empfehlungen für eine niedrigere Abbruchrate:
1. Nutzen Sie Bilder, um Besucher an ihren Warenkorb zu erinnern
Es ist wirksamer, Besucher mit einem Foto an ihren geplanten Kauf zu erinnern und bildlich darzustellen, wie toll der Artikel ist. Das macht zum Beispiel Darty: Der Warenkorb ist gut aufgebaut und gibt Informationen über
- Aussehen,
- Marke,
- Produktreferenz,
- Lagerbestände
- und den Preis.
Sollten Sie Bedenken bzgl. der Wirksamkeit des Fotos haben, schlage ich vor, Sie A/B-testen eine Version mit Foto gegen eine Version ohne Foto Ihres Warenkorbs. Ihre User werden Ihre Zweifel beiseite räumen.
2. Vereinfachen Sie den Conversion-Prozess
Hat der Besucher einen Artikel im den Warenkorb gelegt, sollten Sie ihn ohne Umwege zur Conversion leiten. Es ist einfach so: Mit jedem zusätzlichen Schritt im Conversion-Prozess verlieren Sie potenzielle Kunden. Also: Machen Sie es Ihren zukünftigen Kunden so einfach wie möglich.
Beispiel Renault Renaults Optimierungsteams haben den Conversion-Prozess für Wartungs-Terminabsprachen A/B-getestet. 3 Varianten wurden verglichen:
- Variante A (Referenz): Der Conversion-Prozess ist relativ lang (5 Schritte)
- Variante B : eine einzige Etappe ist nötig, um einen Termin auszumachen, der User muss nur noch einen Vertragshändler wählen.
- Mit Variante C wurde der Prozess weiter vereinfacht, indem der Vertragshändler per Geolokalisierung des Besuchers ermittelt wird.
Variante C ging als klarer Gewinner aus dem Test hervor. Durch die Verkürzung des Conversion-Prozesses konnte Renault die Zahl der Terminabsprachen um 29% steigern!
Wenn Formulare ausgefüllt werden sollen, ist es außerdem wichtig, nur wirklich nötige Informationen einzuholen, z.B. Name, Adresse, E-Mail und Telefon-Nummer. Alles Unnötige lenkt den Besucher ab und kann dazu führen, dass er vor der Conversion abspringt.
3. Lassen Sie Ihren Besuchern die Wahl der Zahlungsart
Stellen Sie sich vor, ein Besucher legt Artikel im Warenkorb ab, will den Kauf bestätigen… und kann nicht zahlen, jedenfalls nicht so, wie er sich das vorgestellt hat. Heutzutage müssen E-Commerce-Webseiten einfach alle gängigen Zahlungsarten anbieten. Findet der potenzielle Kunde nicht seine bevorzugte Methode, bricht er sicher den Kaufvorgang ab. Zeigen Sie, dass sie alle gängigen Zahlungsmethoden akzeptieren - und dass die Zahlung gesichert ist - wie z.B mein-schöner-garten.de:
4. Beruhigen Sie Ihre Besucher bzgl. der Qualität Ihres Kundenservice
Wenn man in einem Ladengeschäft kauft, kann man das Produkt anfassen, anprobieren, die Größe einschätzen… Das alles ist auf Internet unmöglich. Das lässt so manchen Besucher zögern. Was passiert zum Beispiel, wenn das Produkt letztendlich nicht meinen Erwartungen entspricht? Kann es problemlos umgetauscht werden? Es unabdingbar, den Kunden schon im Vorfeld diesbezüglich zu beruhigen und während des Kaufprozesses noch einmal alle Garantien und Services, die Sie bieten, hervorzuheben. Besonders gut funktionieren:
- kostenlose Lieferung: Wie die Grafik oben zeigt, sind Lieferkosten das größte Hindernis bei der Bestätigung des Warenkorbs (eine Studie von Deloitte zeigt darüber hinaus, dass 69% der Internet-User eher auf Webseiten kaufen, die kostenlos liefern),
- einfacher, kostenloser Kontakt (0800-Nummer),
- kostenloser Umtausch, kostenlose Rücksendung.
Modemarke Claudie Pierlot bietet alle drei Services und lässt das ihre potenziellen Kunden auch wissen. Auch nicht kostenfreie Serviceleistungen und Vorteile können hervorgehoben werden, wenn sie echten Mehrwert bieten.
5. Beraten Sie Ihre Besucher
Gerade in der Bekleidungsindustrie sind Warenkorbabbrüche ein echtes Problem. Viele Besucher zögern bis zum letzten Moment, weil sie nicht sicher sind, ob das gewünschte Kleidungsstück auch wirklich passt. Lacoste ist dieses Problem erfolgreich angegangen. Auch auf Lacostes Webseite werden die Vorteile „Kostenlose Lieferung“ „gesicherte Zahlung“ und „Helpline“ hervorgehoben Aber die Marke mit dem Krokodil geht noch weiter. Sie hat ein System der Größenempfehlung entwickelt, das Besuchern bei der Wahl der richtigen Größe je nach Artikel hilft. Die Relevanz dieser Methode wurde in einem A/B-Test unter Beweis gestellt: Lacoste erzielte mehr bestätigte Warenkörbe (Steigerung der Verkäufe um 1,47%), ganz zu schweigen von der Senkung um 22% der Warenrücksendungen.
6. Zwingen Sie Ihre Besucher nicht, einen Account zu erstellen
Der zweitwichtigste Grund des Warenkorbabbruchs: User haben keine Lust, ein langes Formular auszufüllen, bevor sie endlich kaufen können. Natürlich sollten Sie wiederkehrende Kunden bitten, sich einzuloggen und neuen Kunden die Öffnung eines Accounts nahelegen. Es sollte allerdings nicht Pflicht für einen Kauf sein. Der beste Kompromiss ist sicherlich, automatisch einen vorläufigen Account zu erstellen, mit allen für die Lieferung nötigen Daten: Name, Post-Adresse, oder nur E-Mail-Adresse für Online-Services. Diese Methode nutzt zum Beispiel die Deutsche Bahn. Sie zählt die Vorteile der Anmeldung auf, bietet aber auch die schnelle Buchung ohne Anmeldung. So werden Hindernisse aus dem Weg geräumt und Warenkorbabbrüche vermieden.
„Je weniger Hindernisse bei der Browsing-Erfahrung, desto höher die Conversion-Rate!“ –Sherice Jacob, Conversion-Expertin
7. Sprechen Sie Ihre Besucher beim Verlassen der Seite noch einmal an
Die Optimierungsteams von Monnaie de Paris haben ein Pop-up eingestellt, das Besucher, die die Webseite verlassen, direkt anspricht. Haben Besucher mindestens zwei Produktseiten aufgerufen und sind dabei, die Webseite zu verlassen, erscheint die Nachricht „Sie zögern? Andere Besucher haben auch diese Artikel aufgerufen“. Neugier auf andere Artikel wird geweckt. Besucher können es sich noch einmal anders überlegen und auf die Webseite – und zu ihrem Warenkorb – zurückkehren. Diese Kampagne ist übrigens umso erfolgreicher, als sie sich nur an wirklich interessierte Besucher wendet, d.h. User, die durch den Aufruf von mehreren Produktseiten ihr Interesse unter Beweis gestellt haben. Weiterer Pluspunkt: Monnaie de Paris nutzt Social Proof, um potenzielle Warenkorbabbrecher zu überzeugen. Gezeigt werden die beliebtesten Produkte.
Wie kann ich Warenkorbabbrecher nach dem Abbruch zurückgewinnen?
Sie haben getan, was Sie konnten. Der Besucher hat trotzdem seinen Einkauf abgebrochen. Keine Panik, noch ist es nicht zu spät! Es gibt drei besonders effiziente Wege, Warenkorbabbrecher zurückzugewinnen.
1. Reaktivierung durch personalisierte E-Mail
Wenn ein Besucher Ihre Webseite verlässt und nicht von alleine zurückkehrt, sind die Möglichkeiten, ihn auf die Webseite zurückzuholen, nicht unbegrenzt. Die beste Methode ist sicherlich eine E-Mail (wenn Sie die Adresse haben). Mit einer Reaktivierungs-E-Mail können Sie
- Besucher an fast abgeschlossene Einkäufe erinnern,
- Produkte der gleichen Kategorie hervorheben,
- Besucher auf die Webseite zurücklocken und ihnen dort eine personalisierte Erfahrung bieten.
Mit einer Lösung wie Kameleoon können Sie den Inhalt komplett personalisieren (Betreff, Titel, Text, Bilder, Angebote), je nach Browing-Verhalten Ihrer Besucher. Vier Elemente sollten in die Erinnerungs-E-Mail integriert werden:
- prägnanter Betreff/Text,
- aussagekräftige Bilder,
- zahlreiche Links, die auf den Warenkorb weiterleiten (oder auf die Seite, von der aus der Conversion-Prozess verlassen wurde),
- ein interessantes Angebot, das den Besucher motiviert, auf die Seite zurückzukehren.
Unser Kunde FNAC zeigt, wie es geht (wir haben wieder einmal unseren französischen Kollegen und begeisterten Online-Shopper Clément bemüht):
Erinnerung an einen Warenkorb bei FNAC
Wenn ein eingeloggter Besucher auf FNACs Seiten surft, Produkte in den Warenkorb legt und die Webseite verlässt, ohne zu kaufen, schickt FNAC kurze Zeit später eine Erinnerungs-E-Mail. Die E-Mail befolgt alle oben angegebenen Tipps: Der Betreff („Clément, vergessen Sie nicht Ihren Warenkorb!“) ist kurz und prägnant, trifft den richtigen Ton und ist persönlich auf Clément zugeschnitten. Der Text ist dem Browsing-Verhalten des Besuchers angepasst: Clément hat ein Macbook in den Warenkorb gelegt und dann die Webseite verlassen. Die Bilder und Farben der E-Mail lenken die Aufmerksamkeit auf die wichtigen Elemente der E-Mail: den Artikel und die CTAs, die Clément zu seinem Warenkorb zurückleiten sollen. Diese drei Elemente sind anklickbar, die E-Mail enthält also mehrere Links. Das Angebot ist insofern relevant, als Clément den Artikel wiederfindet, den er selbst in den Warenkorb gelegt hat, für den er sich also bestimmt interessiert.
2. Personalisierte On-Site-Reaktivierung
Kommt der Besucher auf Ihre Webseite zurück (vielleicht nachdem er auf einen Link in Ihrer E-Mail geklickt hat), können Sie seine Erfahrung in Echtzeit personalisieren und ihm die Bestätigung seines Warenkorbs ans Herz legen.
Bekannte Besucher zum Login bewegen
Auf vielen großen E-Commerce-Webseiten wird nicht eingeloggten Kunden nahegelegt, sich anzumelden, wie z.B. auf amazon.de. Die Etappe des Login ist wichtig, denn sie ermöglicht, den Besucher an die Stelle zurückzuführen, an der er den Besuch beim letzten Mal abgebrochen hat. So haben Sie einen zweiten Versuch, ihn zur Conversion zu begleiten.
„Auch anonymen Besuchern kann eine personalisierte Erfahrung in Echtzeit geboten werden, z.B. nach Kontext oder Verhalten während des Besuchs. Aber Personalisierung ist weitaus effizienter, wenn man genau weiß, wen man anspricht.“ -Victor Lopez, Consultant Kameleoon
Kennen Sie den Besucher, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, seine User Journey persönlicher zu gestalten, angefangen mit personalisierten Produktempfehlungen. „Hier unser Empfehlungen für dich, Michael!“ Passen die Empfehlungen, bin ich eher versucht, zu kaufen. Das Einloggen ist besonders in Cross-Channel-Zeiten von größter Bedeutung. Besucher greifen über unterschiedliche Endgeräte auf Ihre Seiten zu: Desktop, Smartphone, Tablet. Sind sie angemeldet, können Sie sie über die verschiedenen Endgeräte hinweg identifizieren und eine einheitliche User Experience bieten.
Besucher bei erneutem Besuch an ihren abgebrochenen Warenkorb erinnern
Diese Methode wird vom Optimierungsteam des russischen Sportartikel-Anbieters Sportmaster genutzt. Nur Besucher, die ihren Warenkorb abgebrochen haben, sehen bei Rückkehr auf die Webseite ein Pop-up, das an die gewählten Artikel erinnert. Alles wird daran gesetzt, den Besucher so schnell wie möglich zu seinem abgebrochenen Warenkorb zurückzuleiten: Das Pop-up erscheint, sobald der Besucher eine beliebige Seite der Webseite aufruft, nicht nur die Homepage. Es kann nicht übersehen werden, weil das Surfen unterbrochen und der Rest der Seite abgedunkelt ist. Sportmasters Aktion hat 6% mehr Warenkorbabbrecher dazu bewegt, schließlich doch zu kaufen.
3. Retargeting
Sie haben Ihren Besucher nicht zum Kauf bewegen können, weder mit Aktionen vor dem Warenkorbabbruch, noch durch Reaktivierungsversuche nach dem Abbruch? Eine letzte Chance haben Sie noch: das Retargeting. Wie oben erwähnt, kaufen nur 3% der Besucher Ihrer Webseite letztendlich bei Ihnen. Die anderen 97% sind nicht für immer verloren: Sie können versuchen, sie über Retargeting erneut anzusprechen. Das funktioniert über Cookies, die der Besuch Ihrer Webseite im Browser des Users hinterlässt. Sie brauchen allerdings die Zustimmung des Users, um diese Strategie auf ihn anzuwenden, besonders unter der europäischen DSGVO, die seit Mai 2018 in Kraft getreten ist. [caption id="attachment_12293" align="aligncenter" width="1008"] Ein potenzieller Käufer verlässt Ihre Webseite vor der Conversion. Wenn Ihre Retargeting-Strategie korrekt eingestellt ist, können Sie ihm die aufgerufenen Produkte per Display-Kampagnen erneut anbieten.[/caption]